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Sterbehilfe – wie ist die Lage? was passiert jetzt?

Geschrieben von Johannes Schleicher am 16. März 2020
Kategorie: Pflegegesetze

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Am 26.02.2020 wurde der § 217 StGB vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt. Dieser Paragraph wurde 2015 erlassen und hat die "geschäftsmäßige Beihilfe beim Suizid" verboten. Damit ist die geschäftsmäßige Sterbehilfe in Deutschland wieder erlaubt.

Was heißt das genau?

Die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Bereitstellung eines tödlichen Mittels ist damit erlaubt.

Immer noch verboten ist die aktive Sterbehilfe, also das Töten einer Person, auch wenn diese es wünscht. Nach §216 StGB wird die Tötung eines Menschen, auch bei dessen ausdrücklichem Verlangen, mit 6 Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft. Auch der Versuch ist strafbar.

Auf den Punkt gebracht

Es ist jetzt wieder erlaubt, einem Menschen, der sterben möchte, ein Mittel zu beschaffen, mit dem dieser sich selbst töten kann. Es ist nicht erlaubt, ihm dieses Mittel zu verabreichen, ihn also damit aktiv zu töten.

Die passive Sterbehilfe bleibt weiterhin erlaubt. Dabei handelt es sich um das Verändern des Therapieziels; statt der Heilung (curativ) wird nun die Linderung von Krankheitssymptomen und Schmerzen (palliativ) ins Zentrum der Pflege gestellt. So kann beispielsweise auf lebensverlängernde Maßnahmen wie eine PEG-Magensonde oder die invasive Beatmung verzichtet werden. Diese Art der Sterbehilfe war und ist weiterhin erlaubt.

In einem Gespräch erzählt uns Jedermann-Pflegefachkraft Olaf Schubert über die passive Sterbebegleitung bei einem seiner ALS-Patienten.

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Was passiert jetzt?

Professionelle Sterbehilfevereine können ihre Tätigkeit nun wieder aufnehmen. Dennoch wird der Gesetzgeber regulierend tätig bleiben, um sicher zu gehen, dass der Sterbewunsch aus freiem Willen und bei klarem Verstand entstanden ist.

Auch wird er die Palliativpflege weiterhin fördern und Aufklärungsarbeit leisten, damit diese Alternative auch wahrgenommen werden kann.

Wie sich das Urteil jedoch konkret auswirken wird, das bleibt abzuwarten: Der Deutsche Bundestag muss nun seine Schlüsse aus der Entscheidung ziehen. Beispielsweise kann er Sterbehilfevereinen sehr wohl auch ganz genaue Vorschriften machen, um einen Missbrauch des neuen Tatbestandes zu vermeiden.

Wie kam es zu der Entscheidung?

2015: Der §217 StGB wird erlassen und mit ihm die geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe gestellt.

Was heißt „geschäftsmäßig“?

Menschen, die nicht geschäftsmäßig handelten und mit der betreffenden Person verwandt waren oder ihr nahe standen, blieben straffrei.
“Geschäftsmäßig“ hat in diesem Paragraphen nichts mit Geld zu tun, sondern bezieht sich darauf, dass die Tätigkeit wiederholt ausgeübt wird.

Es muss also ein Arzt gefunden werden, der sich bereit erklärt, das Mittel zu vergeben. Und das ist kaum möglich: Die Ärzte befürchten, aufgrund der "Geschäftsmäßigkeit" unter Strafe gestellt zu werden, wenn sie helfen.
Sterbehilfevereine haben ihre dahingehende Tätigkeit ebenfalls eingestellt.

Die Konsequenzen sind oft ungeheuerlich; Der ALS-Kranke Klaus Grosch beispielsweise hat sich für das Sterbefasten entschieden, nachdem ihm der Erwerb eines Mittels zur Selbsttötung versagt wurde. "Sterbefasten" ist ein pietätvolles Wort für den Hunger- und Verdurstungstod.

2017: Ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichtes besagt, dass jeder Mensch das Recht habe, sein Leben selbst zu beenden. Die Erlaubnis, das tödliche Medikament zu erwerben, solle jedoch nur in Extremfällen erteilt werden.
Aufgrund einer Weisung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn müssen allerdings alle derartigen Anträge pauschal abgelehnt werden.

Gegen diesen Zustand klagen nicht nur professionelle Sterbehelfer, sondern auch zahlreiche Patienten, Angehörige und Ärzte.

Kritik Pflegereform

Kritik am Urteil des Verfassungsgerichts

Wie erwartet hat das Urteil unterschiedlichste Reaktionen provoziert. Vertreter sämtlicher Parteien haben die Entscheidung begrüßt, es gab aber auch viel Kritik.

Kritik gab es unter anderem daran, dass der Freitod durch das Urteil normalisiert würde.

Bundesgesundheitsminister a.D. Hermann Gröhe: "Ich glaube, dass [die Entscheidung] entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Entscheidung geeignet ist, einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer Normalisierung des Selbsttötung als Handlungsoption den Weg zu bereiten."

Prälat Jüsten kritisierte, dass mit diesem Urteil nicht mehr – wie sonst immer – der Schutz des Lebens im Vordergrund stünde, sondern die Selbstbestimmung des Menschen.

Professor Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, führt an, dass mit dem Urteil auch ein "18-Jähriger mit Liebeskummer, gemobbt und ohne Lehrstelle" ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben hätte.
Selbstverständlich wird die Ernsthaftigkeit des Wunsches geprüft, letztendlich hat aber der 18-Jährige mit einem Sterbewunsch das gleiche Recht auf ein todbringendes Mittel wie ein schwerstkranker Mensch, der an einer unheilbaren Krankheit leidet.

SPD-Bundestagsabgeordneter Johannes Kahrs spricht sich dagegen aus, dass ein System es erlaubt, dass Menschen oder Organisationen sich am Tod eines Menschen geschäftsmäßig bereichert.

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