Mein Angehöriger zeigt Anzeichen einer Depression – was kann ich tun?
Geschrieben von Johannes Schleicher am 18. Januar 2021
Kategorien: Demenz, Pflege
Was kann man tun, wenn ein Angehöriger im Alter Anzeichen einer Depression zeigt? Wie zeigen sie sich? Darüber haben wir mit Manfred Bieschke-Behm gesprochen.
Manfred Bieschke-Behm ist der Autor des Ratgebers "Depressionen – Wer A sagt wie Angehöriger meint auch B wie Betroffener." Der 73-Jährige litt bereits als Jugendlicher unter Depressionen, hat es aber in späteren Jahren geschafft, einen positiven Umgang mit der Krankheit zu finden. Seit mehr als 20 Jahren gründet, leitet und begleitet er Selbsthilfegruppen, in denen er seine Erfahrungen einbringt.
Depressionen im Alter
Eine Depression kennt – so Manfred Bieschke Behm – keine Altersbegrenzung. Auch die Tatsache, dass man sich nicht eingestehen will, dass man eine Depression hat, ist unabhängig vom Alter.
Die Ursache ist schnell gefunden: Indem man anerkennt, dass man Depressionen hat, heißt das, dass es sich nicht nur um eine Laune handelt, nicht einfach wieder weggeht. Es heißt, dass man an einer Krankheit leidet, dass man "krank ist". Und dieses "irgendetwas stimmt mit mir nicht", das sagt keiner gerne von sich. Zumal eine psychische Erkrankung viel diffuser, ungreifbarer wirkt als etwa ein gebrochener Arm.
Hat man sich auf die Tatsache eingelassen, dass man depressive Tendenzen hat, ist Fatalismus, gerade bei Menschen im Alter, häufig eine Konsequenz.
Fatalismus, das heißt, dass man sich "damit abfindet", denn "so ist es halt".
Das "Schicksal" Depression
Viele ältere Menschen, die an Depressionen leiden, nehmen diese Tatsache als Schicksal hin, erklärt Manfred Bieschke-Behm.
"Was soll's, ich bin jetzt schon so alt, da fange ich nicht jetzt noch an, an mir rumdoktern zu lassen."
Dabei kann man Depressionen durchaus begegnen, ihnen die beherrschende Kraft zu nehmen. Dafür ist Manfred Bieschke-Behm ein gutes Beispiel. Als "geheilt" würde er sich nicht bezeichnen – allein deshalb nicht, weil bei einem Rückfall die Enttäuschung dann nicht so groß ist. Vielmehr ist er "von der Krankheit entfernt", wie er sich ausdrückt. Und mit dieser Einstellung kann man einen gesunden Umgang mit der Krankheit pflegen.
„Warum sich länger quälen als notwendig? Warum nicht gesund werden (wollen)?" fragt Manfred Bieschke-Behm.
Was sind Zeichen für Depression?
Woran Sie erkennen, dass Sie oder ein Angehöriger an Depressionen leiden, können Sie in unserem ausführlichen Beitrag zu Altersdepressionen nachlesen. Dort finden Sie auch Informationen zu den Faktoren, die eine Depression begünstigen können.
Generell können länger anhaltende Antriebsschwächen, unbegründete Traurigkeit, Einsamkeitsgefühle, Vernachlässigung der Körperpflege, Vermeidung sozialer Kontakte, Schmerzempfindlichkeit u. a. Anzeichen für eine beginnende Depression sein.
Wie redet man über die Depressionen seines Angehörigen?
Wichtig ist, dem Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, das da jemand ist, der sich Sorgen macht, dem Bedürfnisse, Gefühle, Kümmernisse, Sehnsüchte anvertraut werden können. Jemanden der bereit ist zuzuhören, zu helfen.
Der Einstieg in ein vertrauensvolles offenes Gespräch muss gut überlegt sein. Ist der Angesprochene nicht bereit, zu antworten oder gar überhaupt zu sprechen, ist möglicherweise der Zeitpunkt falsch gewählt.
Ein Angesprochener sollte darüber hinaus nicht das Gefühl haben, Rede und Antwort stehen zu müssen. Auf beiden Seiten sollten sich nie Trotz, Missmut und Schuldgefühle einschleichen.
Egal, welcher Gesprächseinstieg gewählt wird, Betroffene dürfen keineswegs unter Druck gesetzt werden und Angehörige sollten die eigenen Bedürfnisse nicht in den Vordergrund stellen.
Eine Möglichkeit der Ansprache ist es, nach Abweichungen zu früher zu fragen, nach auffälligen Veränderungen:
"Du hast doch immer so gerne fotografiert, warum machst du das eigentlich nicht mehr?"
Durch solche Fragen lädt man den Angehörigen dazu ein, über sich selbst nachzudenken. "Ja, warum mache ich das eigentlich nicht mehr? Was hat sich bei mir verändert, dass es mir keinen Spaß mehr macht?"
"Was müsste denn aus deiner Sicht passieren, dass es dir besser geht?"
Viele Betroffene sind auf derartige Fragen nicht vorbereitet, haben darauf (spontan) keine Antworten. Manfred Bieschke-Behm rät, nicht aufzugeben. Weiter den Dialog suchen, zum Gespräch einladen.
Wenn ein Angehöriger sich die depressiven Tendenzen eingesteht, ist der nächste Schritt: Hilfe suchen. Hilfe durch Angehörigen ist in vollem Umfang nicht möglich, betont Herr Bieschke-Behm.
Man kann als Angehöriger einiges falsch machen, auch wenn eine gute Absicht dahintersteckt, sagt Manfred Bieschke-Behm. Ein gut gemeinter Rat kann genau das Gegenteil dessen bewirken, was beabsichtigt wurde.
Beispiel
"Die Sonne scheint, los, lass uns spazieren gehen" – was für "gesunde" Menschen eine nette Aufforderung ist, kann für depressive Menschen eine Überforderung bedeuten.
Die Angst, zu enttäuschen, lässt Betroffene zustimmen, wodurch dann aber wieder die eigene Unselbstständigkeit gefühlt wird.
Aus eigener Erfahrung weiß Manfred Bieschke-Behm, dass Angehörige und Betroffene zu selten miteinander kommunizieren und deshalb zu wenig voneinander wissen. Deshalb hat er den Ratgeber "Depressionen - Wer A sagt wie Angehöriger meint auch B wie Betroffener" geschrieben. Er soll helfen, Wissenslücken zu füllen und Fehler zu vermeiden. Ziel ist es, ein erträgliches Miteinander zu ermöglichen.
Den Ratgeber kann man sich hier kostenlos herunterladen:
Hilfe suchen
Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt. Der wird Sie fachlich unterstützen Ihnen bei der Suche behilflich sein.
Auch die deutsche Depressionshilfe stellt eine Liste mit Adressen bereit, an die man sich wenden kann:
https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/wo-finde-ich-hilfe