Woher kommen Depressionen im Alter?
Geschrieben von Daniel Rautenberg am 10. Mai 2021
Kategorien: Demenz, Pflege, Pflegetipps
"Eine Depression zu haben oder zu bekommen ist keine Frage des Alters," sagt Manfred Bieschke-Behm. Sie kann in jedem Alter auftreten. Herr Bieschke-Behm ist selbst Betroffener und Autor des Ratgebers "Depressionen - Wer A sagt wie Angehöriger meint auch B wie Betroffener".
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Es gibt jedoch Faktoren, die Depressionen "begünstigen", und vielleicht liegt da auch der Zusammenhang mit dem Alter bzw. damit, dass Depressionen im Alter doch häufiger auftreten als in jüngeren Jahren:
Was sind Auslöser für eine Depression?
Genetik, Biographie, Zufall – wo kommen Depressionen her? Das steht nicht eindeutig fest, man geht davon aus, dass es ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren ist.
Tatsache ist, dass Depressionen familiär gehäuft auftreten, eine genetische Komponente gibt es also auf jeden Fall.
Darüber hinaus deuten Untersuchungen darauf hin, dass Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn Depressionen begünstigen, biologische Gründe sind also auch belegbar.
Eine dritte Möglichkeit für das Aufkommen von Depressionen liegt in psychosozialen Faktoren, z.B. an einer "fehlgeleiteten Entwicklung in der Kindheit".
Manfred Bieschke-Behm nennt das eine "Vorgeschichte". Wie sich die einzelnen Faktoren im Individuum auch verhalten mögen, Konsens ist, dass niemand plötzlich aufwacht und eine Depression hat.
"Irgendwas ist irgendwann im Leben passiert", meint Bieschke-Behm. "Viele glauben, dass Depressionen aktuelle Auslöser haben müssen, den Tod eines Partners oder eine Krankheit beispielsweise. Und dem ist zu widersprechen."
Seine Erfahrung ist, dass solche Schlüsselmomente frühere Erlebnisse wieder wachrufen. Wenn beispielsweise ein Partner stirbt, kann das Verlustängste auslösen, weil der trauernde Mensch bereits Verlust in seinem Leben erfahren hat, beispielsweise durch eine Trennung der Eltern oder einen Todesfall.
Welche Faktoren begünstigen Depressionen?
"Faktoren gibt es definitiv", sagt Manfred Bieschke-Behm. Beispielsweise ist das
- das Wegfallen oder das Nicht-Vorhandensein einer Tagesstruktur
- Einsamkeit und Einsamkeitsängste
- körperliche Beschwerden
Das sind natürlich nicht die einzigen Faktoren, die das Risiko erhöhen, eine Depression zu bekommen. Gerade bei diesen Faktoren ist jedoch augenfällig, dass sie sich eher bei älteren Menschen einstellen als bei jüngeren.
Dem Wegfallen einer Tagesstruktur kann man entgegenwirken, indem man sich eine Struktur schafft bzw. sich dabei helfen lässt, eine zu schaffen. Allerdings wird das zwangsläufig nicht mehr dieselbe Struktur sein wie die, als man noch Kinder zur Schule bringen musste und einer täglichen Arbeit nachging.
Einsamkeit und begleitende Ängste stellen sich oft nach dem Verlust des Partners ein, dem Tod von Verwandten oder Freunden oder fehlender Mobilität, um weiter entfernte Menschen zu besuchen.
Und körperliche Beschwerden treten in der Regel im Alter ebenfalls häufiger auf als in jüngeren Jahren. Darüber hinaus sind sie durch fehlende Mobilität schwerer zu ertragen und zu bewältigen.
All das lässt den Schluss zu, dass Depressionen sich nicht alleine wegen des Alters einstellen, dass allerdings einige Faktoren, die ein Leben im Alter mit sich bringt, durchaus Grund dafür sein können, dass eine Depression entsteht.
Wie kann man mit Depressionen im Alter umgehen?
Es gibt verschiedene Haltungen der eigenen Depression gegenüber, erklärt Manfred Bieschke-Behm.
"Ist doch nicht so schlimm"
Und tatsächlich –wenn man nicht zu sehr unter dem Zustand leidet und andere Menschen nicht oder nur wenig belastet, ist diese Einstellung völlig ok. Anders verhält es sich, wenn mit dem Satz „Ist doch nicht so schlimm“ der eigene Zustand herunterspielt wird und letztendlich selbst geglaubt wird, dass es nicht so schlimm ist.
"Ich bin zu alt, um daran noch was zu ändern"
Wenn eine Depression anfängt, einem selbst und auch anderen Probleme zu bereiten, sollte etwas dagegen unternommen werden. Und das kann man auch! Früher war das zwar anders, aber heutzutage können auch 80-Jährige noch eine von der Krankenkasse finanzierte Therapie in Anspruch nehmen. „Für eine Therapie ist man nie zu alt“, sagt Bieschke-Behm.
Depressionen eingestehen
Vielen fällt es schwer, sich einzugestehen, dass "etwas nicht stimmt". Auch das ist tatsächlich keine Altersfrage. Dabei ist es wichtig, die Krankheit als Krankheit anzunehmen. Das ist aus Sicht von Herrn Bieschke-Behm der erste und gleichzeitig ein sehr wichtige Schritt, der Krankheit die Stirn zu bieten.
"Wer ist schon gerne depressiv? Wer hat gerne Zucker oder Krebs. Keiner. Darum ist es so wichtig, rechtzeitig die 'Notbremse' zu ziehen. Je früher ich damit anfange, das einzusehen, desto leichter ist die Behandlung, desto wahrscheinlicher die Heilung", so Bieschke-Behm.
„Erst als ich mir meine Krankheit eingestanden hatte, war ich bereit, mir professionelle Hilfe zu suchen“, erklärt Bieschke-Behm und kann davon berichten, was möglich war und ist.
Wenn Sie vermuten, eine Depression zu haben, wenden Sie sich an Ihren Hausarzt. Der wird für Sie das Richtige in die Wege leiten.
Außerdem finden Sie weitere Informationen bei der Deutschen Depressionshilfe.
https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/wo-finde-ich-hilfe