Ehrenamt im Hospiz – Margot Thiede
Geschrieben von Johannes Schleicher am 2. Mai 2018
Kategorie: Palliativpflege
Margot Thiede hat früher bei der Bank gearbeitet. Seit sie in Rente gegangen ist, ist sie ehrenamtliche Helferin in unserem Hospiz. Wir haben mit ihr ein Gespräch über ihre Ansichten, ihre Erlebnisse und ihre Eindrücke geführt.
Weshalb sind sie ehrenamtliche Hospizhelferin geworden?
Es ergab sich einfach, da ich schon zu DDR-Zeiten in Potsdam in unserem Wohnhaus das gemacht habe, was man heute Begleitung nennt.
Es war ja Querbeet in so einer Hausgemeinschaft, vom Neugeborenen bis zur 90jährigen.
Wenn dann jemand krank wurde – egal, ob das eine Erkältung war oder Krebs – und die Angehörigen zum Beispiel einkaufen gehen mussten, habe ich mich an's Krankenbett gesetzt. Wie man das im Haus eben so machte.
Dass ich das weitermache, war für mich selbstverständlich.
Wie sind Sie ins Jedermann-Hospiz gekommen?
Im Hospiz in Brandenburg an der Havel habe ich angefangen, weil ich umgezogen bin. Und da das nur 7 Minuten mit dem Zug nach Brandenburg sind und ich ja für die Milch und die Butter sowieso hinfahren muss, hat sich das einfach ergeben.
Wenn's dann mal heißt "Kannst du mir nicht mal aushelfen, bei mir ist kurzfristig jemand ausgefallen," dann macht man das. Und naja: Aus dem "Kurzfristig" sind jetzt auch schon wieder 10 Jahre geworden.
Ich gehöre aber immer noch in Potsdam zum Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst.
Wie sieht Ihre Tätigkeit im Hospiz aus?
In Brandenburg bin ich dafür eingeteilt, dass ich jeden Montag ins Hospiz komme und dort die Gäste, die keinen Besuch bekommen oder die – was immer öfter der Fall ist – keine Angehörigen haben, im Zimmer besuche.
Mit einigen bin ich schon bis zum Supermarkt gefahren und habe eingekauft: Sie im Rollstuhl und ich dann hinterher. Oder wir fahren Eis essen. Das hängt immer davon ab, wie mobil die Menschen noch sind.
Es kommt vor, dass ich eine Stunde lang vorlese. Es kann auch sein, dass ich zwei Stunden dasitze und nur die Hand halte. Gestern haben wir draußen gesessen und haben uns über die Fische unterhalten, die da im Teich schwimmen, und über die Vögel. Es ist jedes Mal anders.
Das Wichtigste ist, habe ich festgestellt: Mit uns können die Menschen im Hospiz anders reden als mit der Familie. Ich hatte eine Dame, die vor Weihnachten verstorben ist. Sie war über ein Jahr bei uns und hatte ALS. Zum Schluss wollte sie immer nur wissen, ob Sterben weh tut. Das konnte sie aber ihren Mann nicht fragen. Wenn sie mit ihm über ihr Sterben sprechen wollte, begann er, zu weinen, was ja auch menschlich ist. Uns Ehrenamtlern kann sie solche Fragen jedoch stellen.
Wie ist das Miteinander im Hospiz?
Ich bin jetzt seit 10 Jahren da: Ich hab noch nicht einmal beim Personal ein missmutiges Gesicht gesehen. Klar hat mal einer einen schlechten Tag, aber das fangen die anderen auf. Und ich hab auch noch keinen Personalwechsel miterlebt, es sei denn, der Klapperstorch kam vorbei. Das spricht doch aber für die Güte des Kollektivs – nein, "des Teams" sagt man heute. Das sind gute Menschen. Und auch die Zusammenarbeit mit uns Helferinnen und Helfern könnte nicht besser sein.
Hat die Hospizarbeit Ihr Leben verändert?
Ich lebe anders. Ich lebe bewusster. Und ich schiebe nicht mehr alles so weit weg, so wie "ich spare jetzt erst mal fünf Jahre und dann leiste ich mir was."
Darauf, dass man viel Rücksicht nehmen muss, bin ich auch unwahrscheinlich tolerant geworden. Ich kann eigentlich alles verstehen, solange es nicht Gewalt einem anderen Menschen gegenüber ist. Ich bin innerlich ganz ruhig.
Ist die Arbeit auch problematisch?
Wenn man erlebt, wie jemand vier Tage lang kämpft, damit er sterben kann, dann wünscht man ihm nur, dass es schnell geht. Für diese Menschen ist es besser, wenn sie von ihrem Leiden erlöst werden.
Die Angehörigen bleiben dann oft weg, denn für sie ist das sehr beängstigend. Weil sie das noch nie erlebt haben und nichts über das Sterben wissen – und dann bricht Panik aus.
Zum Beispiel, wenn die Patienten die letzten 14 Tage vorher einfach aufhören, zu essen. Das ist manchmal ganz normal. Wenn das aber zum Beispiel die Tochter sieht, heißt es oft: "Sie können meine Mutter doch nicht verhungern lassen!" Aber wenn man zu diesem Zeitpunkt eine Magensonde setzt, dann ist das auf gut Deutsch eine Körperverletzung. Denn damit tut man nichts Gutes, sondern man schadet dem Menschen, der sich im Sterbeprozess befindet.
Das Leben ist endlich und die meisten wissen das. Das ist einfach so. Früher sind die Großeltern bis zum Schluss in der Familie gewesen, da war das vollkommen normal und das Sterben Teil des Lebens. Das ist alles anders geworden, technischer.
Natürlich gibt es aber auch sehr viele schöne Erfahrungen, die man im Hospiz sammeln kann. Darüber werde ich aber schweigen, weil das eine Angelegenheit zwischen mir und den Gästen ist und zu privat, um es zu erzählen.
Was beinhaltet die Ausbildung zum Hospizhelfer?
Wir haben damals 2002 einen Kurs gemacht und müssen jedes Jahr eine Weiterbildung machen. Nach dem Kurs hatte man eine Art Praktikum, in dem man erkennen sollte, ob man mit fremden, kranken Menschen überhaupt Kontakt aufbauen kann. Es gibt ja viele, denen das dann doch zuviel ist, aber es ist wichtig, dass man das vorher bemerkt. Und das waren dann nochmal sechs oder acht Wochen Praktikum.
Danach muss man sich entscheiden, ob man das aktiv machen möchte oder nicht. In unserer Gruppe gab es zum Beispiel jemanden, der noch nie einen Toten gesehen hatte. Und damit muss man ja rechnen. Ihr ging das so sehr an die Nerven, dass sie damit nicht zurecht kam.
Die letzte Weiterbildung ging zum Beispiel über die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Wir wollten das Krankenbild kennenlernen. Denn mit diesen Menschen geht man anders um – muss man anders umgehen – weil sie ja bis zur letzten Minute geistig voll da sind. Und das ist natürlich was ganz anderes, als wenn man einen Krebskranken betreut, der in den letzten 14 Tagen fast nur noch schläft.
Wir werden jedoch auch darin geschult, den Familien eventuell Fragen zu beantworten, zum Beispiel zu den neuen Pflegegraden.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Thiede! Wir freuen uns sehr darüber, dass Sie bei uns sind, und wünschen Ihnen alles Gute!
Sie haben Interesse daran, ehrenamtlicher Hospizhelfer zu werden? Dann melden Sie sich bei Manuela Lindner, der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Hospiz-Bewegung e.V. und Koordinatorin der Hospizleitstelle!