Frische & nahrhafte Ernährung für Menschen mit Demenz
Geschrieben von Johannes Schleicher am 30. Juni 2021
Kategorie: Demenz
Ernährung ist von der Geburt an bis ins hohe Alter ein zentraler Bestandteil eines gesunden Lebens. Essen aber soll nicht nur gesund und nahrhaft sein, sondern auch noch gut schmecken. Was wäre Essen ohne Genuss? Für uns heißt das, dass wir den Menschen, die wir betreuen, sowohl eine ausgewogene Ernährung anbieten, die gut schmeckt und auch individuellen Wünschen gerecht wird. So können wir einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität unserer Bewohner leisten.
Weiterführende Informationen
- Demenz – so kann man dabei helfen, den Verlauf zu verzögern
- Kommunikation mit Menschen mit Demenz
- Umgang mit Menschen mit Demenz – 13 Tipps
Unter diesen Gesichtspunkten haben wir die bisherige Ernährung in den WGs für Menschen mit Demenz nochmal unter die Lupe genommen und an manchen Stellen nachjustiert: Frischer sollte es sein, mehr wichtige Nährstoffe und weniger Fertiggerichte und raffinierten Zucker enthalten.
Warum ist die richtige Ernährung im Alter wichtig?
Im Alter nimmt die Muskelmasse und damit auch der Kalorienbedarf ab. Der Nährstoffbedarf bleibt aber erhalten, auch werden bestimmte Nährstoffe durch Krankheiten eventuell auch noch wichtiger als früher.
Oft essen ältere Menschen dann einfach weniger, weil sie auch weniger Hunger haben. Dabei entgehen ihnen aber mitunter Nährstoffe, die sie dennoch so sehr benötigen wie früher.
Die Körperfettmasse nimmt im Alter zu, wodurch das Risiko für Stoffwechselerkrankungen steigt. Hinzu kommt eine Abnahme der Immunfunktion und ein Anstieg chronischer Entzündungen (Inflammaging). Die Ernährung ist sicher nicht der einzige Faktor, der hier den Ausschlag gibt. Aber sie ist definitiv ein zentraler Faktor.
Mehr zur richtigen Ernährung im Alter haben wir in einem eigenen Beitrag zusammengefasst.
Das DIfE (Deutsche Institut für Ernährungsforschung) in Potsdam hat eine ganze Forschungsgruppe der Ernährung im Alter gewidmet. Auf ihrer Webseite findet man auch zahlreiche nützliche Informationen.
Wir haben mit Marie Rohde darüber gesprochen, was denn gute Ernährung in der Pflege ausmacht, was sie zur Gesundheit beitragen kann und wie man gute Ernährung an den Mann oder die Frau bringt, ohne den Ernährungsplan oder die individuellen Vorlieben völlig auf den Kopf zu stellen.
Marie beschäftigt sich bereits seit vier Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung. Derzeit unterstützt sie unsere WGs für Menschen mit Demenz in der Potsdamer Straße bei der Umsetzung der frischeren, nahrhafteren Ernährung.
Dabei stützt sie sich – wie wir in diesem Beitrag im Übrigen auch – vor allem auf Informationen des
- Deutschen Instituts für Ernährungsforschung
- Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
- Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Wieso benötigt gute Pflege ausgewogene Ernährung?
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Pflege nicht nur Körperpflege, Betreuung und Miteinander beinhaltet – Pflege muss ganzheitlich gedacht werden, damit sie dem Menschen gerecht werden kann. Und das schließt eine ausgewogene Ernährungsweise mit ein.
Schließlich ist es die Aufgabe guter Pflege, die Lebensqualität so lange und so gut wie möglich zu gewährleisten.
Betreuung für Menschen mit Demenz
Oft ist die Betreuung zuhause nicht mehr möglich. Dafür stehen unsere Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz in Brandenburg an der Havel zur Verfügung, in denen die Bewohner fürsorglich und professionell betreut werden.
Was heißt das konkret?
Unser Körper besteht aus den Nahrungsmitteln, die wir zu uns nehmen. Bestimmte Nahrungsmittel verursachen ein Völlegefühl, bewirken, dass wir uns matter fühlen, dass wir übergewichtig werden oder auch Krankheiten einen Nährboden bieten.
Die richtigen Nahrungsmittel können uns aber auch darin unterstützen, uns besser zu fühlen, länger gesund zu bleiben, unser Gewicht zu halten. Das bedeutet, dass es möglich ist, sich mit einer ausgewogenen, durchdachten Ernährung auch nach dem Essen und über den Verlauf des ganzen Tages vital und leicht zu fühlen und ein Völlegefühl zu vermeiden. Man will nicht gleich nach dem Essen einen Mittagsschlaf machen müssen, weil man sich so erschlagen fühlt.
Das ist das eine. Darüber hinaus wirkt Ernährung auch auf den Blutdruck, auf das Herz-Kreislauf-System, auf die Beweglichkeit und auf das Immunsystem. Außerdem kann sie dabei helfen, bestimmte Krankheitsbilder abzumildern, wie zum Beispiel die von Rheuma oder Gicht.
Was sollte man also essen?
Weiter oben sind wir bereits auf die steigende Körperfettmasse zu sprechen gekommen. Das legt nahe, den Anteil an ungesunden, also gesättigten (tierischen) Fetten in der Nahrung ein wenig zu reduzieren: Statt Butter Margarine zu probieren. Gleichzeitig ist die Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren aus Leinsamen, Leinöl oder Hanföl empfehlenswert - zum Beispiel in Salatdressings oder über Kartoffeln zum Quark. Zum Braten empfehlen sich Rapsöl oder Olivenöl (Achtung, nicht zu sehr erhitzen) statt Butterfett. Und wenn ab und zu auch z.B. eine Avocado auf dem Teller landet, ist das auch eine gute Möglichkeit, den Körper mit gesunden Fetten zu versorgen.
Proteine sind ebenso sehr wichtig. Da ist eine Mischung aus pflanzlichen und tierischen Proteinen eine Möglichkeit. Wird Fleisch gegessen, empfiehlt die DGE vor allem mageres Fleisch wie Hähnchen oder Pute.
Darüber hinaus sollte man viel frisches Obst und Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte essen. Auch Fisch wird einmal in der Woche empfohlen.
Meiden sollte man zu viel Zucker, rotes Fleisch, Fertigprodukte (fertig-paniertes Schnitzel, Fleischsalat und andere Fertigsalate, zu viel Fertigjoghurt, Fix aus der Tüte, Fertigsaucen…) und viel Salz.
Das klingt strikter, als es ist
Natürlich muss man nicht komplett auf all diese Dinge verzichten, vor allem dann nicht, wenn man sie gerne isst. Im Zentrum der pflegerischen Versorgung steht immer noch der Mensch mit seinen Wünschen, seinen Eigenheiten und seinen Bedürfnissen. Und wenn ein Bewohner seine gewohnte Leibspeise essen möchte, dann bekommt er sie natürlich auch.
Allerdings stellen wir uns dann die Frage:
Gibt es noch eine Alternative zu bestimmten Lebensmitteln?
Zum Beispiel kann man Toast gegen Vollkorntoast austauschen, oder Butter gegen Margarine. Auch bei Marmeladen gibt es Sorten mit weniger Zucker und höherem Fruchtgehalt. Das kann man den Bewohnern zumindest anbieten. Wird auch diese Alternative abgelehnt, wird dem Bewohner sein gewünschtes Gericht selbstverständlich nicht verwehrt. Das alles erfordert ein sensibles Vorgehen und aufmerksames Miteinander.
Auch können wir nach dem Essen statt Fertigpuddings öfter mal einen Obstsalat oder selbst gemachten Fruchtquark anbieten, und den puren Fruchtsaft mit Wasser verdünnen. Statt Milch aus konventioneller Landwirtschaft steht nun Bio-Milch auf dem Einkaufszettel.
Einen alten Baum verpflanzt man nicht?
Darüber hinaus kann man neben den bekannten auch neue Gerichte anbieten und so das Interesse für neue Küche wecken. Schließlich können sich Geschmäcker auch ändern, und wenn man Menüvorschläge macht und konkrete Impulse gibt, sind ganz viele Bewohner dafür sehr offen und melden zurück, wie gut es ihnen schmeckt. Nur weil man vor 20 Jahren eine Sache immer wieder und gern gegessen hat, muss es jetzt nicht immer noch so sein. Manche Dinge bleiben, manche ändern sich aber auch.
Wenn ein Bewohner aufgrund der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr selbst entscheiden kann, heißt das natürlich auch nicht, dass er jetzt automatisch nur noch das Essen des Essensplans serviert bekommt. Auch hier sind empathische Beobachtung und Informationen der Angehörigen zentral und je nachdem, was der Bewohner gerne mag, wo er Zustimmung signalisiert, zufrieden ist, sind wir auf einem sehr guten Weg.
Was wird denn an Gerichten angeboten?
Statt des herkömmlichen Brotfrühstücks kann man zum Beispiel einen Haferbrei mit Früchten anbieten; erstens gab es den auch schon früher, zweitens bietet er mehr Nährstoffe. Wenn man übrigens Früchte zugibt, kann man dabei darauf achten, dass man frische nimmt und keine Konservenfrüchte, weil frisches Obst bzw. direkt nach der Ernte tiefgefrorenes Obst mehr Vitamine hat und auch nicht mit Zucker angereichert ist. Süßen kann man dann beispielsweise mit Honig, wenn man das denn möchte.
Wenn jemand auf die Frühstücksstulle besteht, kann man ihm auch mal einen Avocado-Tomatenaufstrich, Hummus oder eine Marmelade mit hohem Fruchtgehalt anbieten. Die Aufstriche aus Avocado oder Kichererbsen sind superleicht gemacht, sehr preiswert und schmecken wirklich lecker.
Was die Bewohner auch sehr gerne haben, das sind selbstgemachte Smoothies, die man aus frischem Obst und Gemüse herstellt.
An Mahlzeiten haben wir in den Speiseplan neben Hausmannskost-Klassikern auch Gerichte wie Ofengemüse mit Dip, Kürbissuppe mit Karotten und Kokosmilch oder auch mal ein Curry dazu genommen.
Statt Eierkuchen mit Apfelmus gibt es Eierkuchen mit Apfelmark, weil da kein Zucker zugesetzt wurde. Oder mit einer Pilzfüllung, also herzhaft, was auch sehr gut schmeckt.
Wichtig ist dabei auch, dass die Gerichte nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, damit die Pflegekräfte nicht zu lange kochen müssen. Die Bewohner beteiligen sich zwar sehr gerne am Schnibbeln, aber die Hauptarbeit müssen trotzdem die Pflegekräfte erledigen. Deshalb wird darauf geachtet, dass die Gerichte alle in 20-25 Minuten gekocht werden können.
Zu allen neuen Gerichten gab es die Rezepte mit dazu. Außerdem hat Marie angeboten, bei Fragen in der Küche mit anzupacken. Auch eine Mitarbeiterin aus dem Haus hat anderen Kollegen ihre Hilfe in der Küche angeboten, sei es beim Anleiten oder Ausprobieren von Neuerungen.
In einigen WGs wurde auch eine Küchenmaschine angeschafft, da eine Mitarbeiterin, die sehr gerne kocht, dazu geraten hat. Und das Schnibbeln geht dadurch wirklich von selbst.
Das alles waren nun die ersten Schritte und wir sind sehr gespannt, wie sich unser kulinarisches Angebot entwickeln wird.