Ein Tag in der Kita – Gespräch mit Yvonne Keiper
Geschrieben von Johannes Schleicher am 8. August 2016
Kategorie: Kinderintensivpflege
Yvonne Keiper ist examinierte Krankenschwester in der Kinderintensivpflege Paulchen. Gerade betreut sie ein Kind mit Undine-Syndrom zu Hause und in der Kita. Wir haben sie zu ihrem Beruf, zu ihrem kleinen Patienten und zu ihrem Alltag befragt.
Was gefällt dir an der Kinderintensivpflege?
Mir gefällt der Umgang mit den Kindern – Kinder entdecken die Welt noch ganz anders. Jeden Tag gibt es einen Lichtblick. Ich habe schon mehrere Kinder begleitet, die einen schwierigen Start ins Leben hatten, aber ihrer Prognose getrotzt haben. Oder sie wurden sogar austherapiert und können nun ein ganz normales Leben führen.
Kinder sind immer motiviert und wollen die Welt trotz Handicap entdecken, so ist es immer abwechslungsreich. Im Erwachsenenbereich ist es eher ein festgefahrener Alltag, vor allem wenn die Patienten in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Wen begleitest du in die Kita?
Wir betreuen gerade Lina. Sie ist am Undine-Syndrom erkrankt. Lina wird im August 3, ist sehr aktiv, weiß ganz genau, was sie will und freut sich jeden Tag auf den Kindergarten. Sie ist immer ganz traurig, wenn Wochenende ist und sie nicht gehen kann. Tagsüber braucht sie eigentlich nur selten Beatmung oder Sauerstoff. Nur im Schlaf braucht sie die Beatmung. Schlafen tut sie aber nicht im Kindergarten, das macht sie zu Hause.
Meine Kollegen und ich – wir sind ein 5-Mann-Team – sind 24 Stunden am Tag für sie da. Wir sind zur Prävention da.
Undine-Kinder neigen zu Krampfanfällen und Herz-Rhythmusstörungen. Und sie können vergessen, zu atmen, auch wenn sie wach sind. Zum Beispiel, wenn sie auf ein Spiel fixiert sind. Bei Lina zeigen sich auch Schluckprobleme, die teilweise zu Verschluckung führen. Leider konnte das noch nicht durch die Logopädie behoben werden. Lina neigt auch dazu, sich bei Schmerzen oder Wut blau zu schreien, bis hin zur Ohnmacht.
Was macht ihr in der Kita?
Wenn wir ankommen, isst Lina gleich ihr Frühstück. Dann spielt sie mit den anderen Kindern, drinnen am liebsten mit den Puppen.
Auch alles ausräumen und großes Chaos stiften ist bei den kleinen sehr beliebt. Draußen ist Lina gern im Sandkasten. Wir Pflegekräfte halten immer Blickkontakt.
Es ist aber nicht so, dass die anderen uns ignorieren, wir sind da voll mit einbezogen. Mal müssen wir trösten, wenn einer hinfällt, mal ein Buch vorlesen, mal beim Schuhe anziehen helfen. Oder die Kinder kommen auch einfach mal auf den Schoß.
Was macht ihr im Notfall?
Dann müssen wir Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten, wie zum Beispiel die Atemwege sichern, Vitalzeichen kontrollieren und stabilisieren, Medikamente bzw. Sauerstoff verabreichen oder die Beatmung anschließen. Einen solchen Notfall hatten wir in der Kita Gott sei Dank aber noch nicht.
Findet Integration in der Kita statt?
Voll und ganz. Von den Erziehern, von den Kindern, alle behandeln sie gleich. Und uns auch. Vom ersten Tag an haben uns die Kinder voll integriert. Lina hat ja auch Glück, dass man ihr die Erkrankung äußerlich nicht ansieht, wenn sie nicht beatmet wird. Sie hat weder eine Trachealkanüle noch irgendwelche Gerätschaften, die sie ständig bei sich haben muss. Und sie ist körperlich nicht beeinträchtigt.
Aber ich habe auch schon ein Kind mit einer Trachealkanüle und Kinder mit körperlichen und geistigen Einschränkungen in die Kita begleitet. Und auch diese Kinder wurden immer herzlich willkommen geheißen und in die Gruppe integriert, ohne Berührungsängste.
Manche haben anfangs zwar geguckt, was ich da mache, wenn ich sie zum Beispiel mal absaugen musste. Aber man muss das nur kindgerecht erklären. Ich habe dann gesagt, das ist wie ein Staubsauger, damit kriegt sie wieder Luft, und dann sind die Kinder auch schon zufrieden.
Was muss man mitbringen, um Kinderintensivpfleger zu sein?
Nerven - wie Drahtseile. Letzte Woche zum Beispiel war die Feuerwehr in der Kita und hat auch ein paar Schläuche ausgerollt. Als keiner hingeschaut hat, schnappte sich Lina einen davon und die Umstehenden bekamen eine unfreiwillige Dusche. Auch meine Kollegin.
Lina hat sich diebisch gefreut. Und in dem ganzen Chaos muss man trotzdem immer darauf achten, dass es ihr auch weiter gut geht.
Außerdem muss man natürlich Spaß daran haben, mit Kindern zu arbeiten. Und man braucht Einfühlungsvermögen und muss gut zuhören können. Eltern haben gerade nach Diagnosestellung bzw. bei physischen Änderungen starken Redebedarf. Und wir müssen zwischen Eltern und Ärzten bzw. Therapeuten vermitteln.
Wie bildet man sich in der Kinderintensivpflege weiter?
Wir machen einmal im Quartal eine Fortbildung zu Grundsätzen der Anatomie und der Physiologie von Kindern. Das sind ja keine kleinen Erwachsenen, also muss man das spezifisch lernen. Außerdem bilden wir uns fort zu Grundlagen von Atmung und Beatmung. Aktuelle Themen umfasst die Fortbildung auch, zum Beispiel:
- Schmerz
- Lagerung
- Erkrankung im Kindesalter
- Ernährung
Vielen Dank für deine Antworten, Yvonne! Einen Gruß an Lina und weiterhin schöne Zeiten in der Kita ;)