Palliativpflege für Menschen mit Demenz
Geschrieben von Johannes Schleicher am 25. August 2019
Kategorien: Demenz, Palliativpflege
Palliativpflege ist die Pflege von schwerstkranken Menschen am Ende ihres Lebens. Das Thema "Demenz" ist in der Palliativpflege vor allem deshalb so wichtig, weil diese Form der Pflege sich oft an alte Menschen richtet – und Demenz ist eine Krankheit, die mit steigendem Alter immer häufiger auftritt.
Was muss man beachten, wenn man Menschen mit Demenz an ihrem Lebensende pflegt? Inwiefern gestaltet sich die Palliativpflege anders als bei Menschen ohne Demenz?
Kommunikation mit Menschen mit Demenz
"Der bekommt doch sowieso nichts mehr mit…" hat Stephan Kostrzewa eine Präsentation über Palliative Care für Menschen mit Demenz betitelt. Und darin liegt auch schon ein sehr großes Problem.
Menschen mit Demenz können sich immer weniger mit sprachlichen Mitteln ausdrücken. So können sie auch nicht ausreichend übermitteln, was ihnen gerade fehlt, woran sie leiden. Das Resultat ist, dass man oft fälschlicherweise annimmt, dem betreffenden Menschen ginge es gut.
"Die Annahme, dass, wer nicht richtig denken kann, auch nicht richtig leidet, ist ein verbreiteter Irrtum. Er kann nicht um Hilfe bitten, er kann nicht sagen, was ihm weh tut, er kann seinen Schmerz weder begreifen noch orten."
(Marina Kojer, Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun, S. 80)
Wie kann man mit dieser Situation umgehen?
Gerade bei Schmerzen hat die Selbstauskunft eine große Bedeutung, weil man ihre Intensität nicht objektiv messen kann. Aber auch abgesehen davon ist es für die Palliativpflege wichtig, zu erfahren, was der Patient möchte, steht doch Selbstbestimmung und Lebensqualität im Zentrum ihrer Pflege.
Was die Schmerzen angeht, so bestehen einige Fremdbeobachtungsinstrumente wie zum Beispiele die BESD, also die Beurteilung von Schmerzen bei Demenz.
Dabei handelt es sich um einen Katalog, der Atmung, Lautäußerungen, Mimik und Körpersprache mit einbezieht, um einen Quotienten zu ermitteln, der die Schmerzintensität zumindest annähernd beschreibt.
Letzten Endes ist es auch dies, was Palliativpflege sonst tun muss: Patienten anhand ihrer nonverbalen Kommunikation verstehen. Dies erfordert natürlich eine besondere Achtsamkeit der Pflegekräfte.
Auch die Kommunikation mit Angehörigen der Patienten kann einigen Aufschluss über die Situation des Menschen mit Demenz geben.
Sie kennen ihren Verwandten in der Regel, können also mit Informationen aus der Biographie helfen; sie können auch als Dolmetscher fungieren.
Das Verstehen
Vor allem ist hiermit gemeint, die Welt des Menschen mit Demenz zu verstehen und die Pflege dieser Welt anzupassen.
Der Tod beispielsweise spielt bei Menschen mit Demenz nicht unbedingt dieselbe Rolle, die er bei Menschen ohne kognitive Einschränkungen spielt.
Das Wissen um Ursache und Folge – um Alter und Krankheit als Todesursache – das Wissen darum, dass jeder Mensch einmal stirbt und dass dieses Sterben unumkehrbar ist, ist bei fortgeschrittener Demenz nicht mehr unbedingt präsent.
Wie lebt ein Mensch, wenn er kein Konzept seiner Zukunft hat? Wie sollte er gepflegt und betreut werden?
Es kommt das zum Tragen, was die Palliativpflege an sich ist: Eine Lebensbegleitung vielmehr als eine Sterbebegleitung. Neben medizinischen Aspekten, die das körperliche Wohlergehen des Patienten größtmöglich sichern, sollte man sich auf dessen Leben fokussieren: Durch Achtung und Wertschätzung im Umgang, durch Biographiearbeit, durch basale Stimulation.
Zur Info
In unserem Beitrag zum richtigen Umgang mit Menschen mit Demenz finden sich ebenfalls hilfreiche Tipps, die in der Palliativpflege Anwendung finden können.
Die basale Stimulation
Bei der basalen Stimulation handelt es sich um ein Konzept, das sich auf eine ganzheitliche und körperbezogene Kommunikation mit Menschen konzentriert, die nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr kommunizieren können.
Das Ziel ist unter anderem, eine nonverbale Kommunikation zu ermöglichen. Gleichzeitig schafft das Konzept durch das Ansprechen aller fünf Sinne auch Lebensqualität, da es sowohl anregend als auch entspannend wirken kann. Es fördert das Wahrnehmen des eigenen Körpers sowie der Präsenz anderer Menschen.
Beispiele für basale Stimulation sind Massagen, Singen, Summen, ästhetisch anregendes Reichen von Mahlzeiten sowie die Berührung bzw. das Streicheln von Tieren.
Das rechtzeitige Klären von Fragen
Neben all den körperlichen und geistigen Aspekten gibt es bei der palliativen Betreuung von Menschen mit Demenz auch organisatorische und rechtliche Fragen zu klären.
Beispielsweise die Frage nach der Therapiezieländerung, also ob noch kurativ (heilend) oder ausschließlich palliativ gepflegt werden soll. Oder die Frage nach Wiederbelebungsmaßnahmen oder künstlicher Ernährung. Bei Menschen mit Demenz obliegen diese Entscheidungen den Angehörigen oder einem Betreuungsgericht, sollte keine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht vorhanden sein.
Daher sollte beides angelegt werden, solange noch die Möglichkeit dazu besteht. So kann man dem Willen des betreffenden Menschen am besten entsprechen.
Zur Info
In unserem Beitrag über die Patientenverfügung haben wir dargelegt, was man dabei beachten muss.