Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG III) Überblick
Geschrieben von Johannes Schleicher am 4. Januar 2016
Kategorie: Pflegegesetze
Am 28. Juni 2016 wurde ein weiteres Pflegestärkungsgesetz vom Bundeskabinett beschlossen: Das Pflegestärkungsgesetz 3. Dieses Gesetz versteht sich als Zusatz zum Pflegestärkungsgesetz 2, das unter anderem die Einführung der Pflegegrade Anfang 2017 vorsieht.
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Das neue Pflegestärkungsgesetz 3 hat die Verbesserung der Pflege (der Pflegequalität und der Versorgung) auf kommunaler Ebene in ganz Deutschland zum Ziel.
Hier erfahren Sie alles über das neue PSG. Den Beitrag halten wir für Sie immer aktuell, sodass Sie die neusten Änderungen zeitnah zur Hand haben.
Warum ein neues Pflegestärkungsgesetz?
Schnittstelle zu anderen Sozialleistungssystemen
Mit dem PSG II bestehen rechtlich keine Beziehungen von Pflegegeldern und anderen Sozialleistungen, die in einem Zusammenhang mit Pflege stehen. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) ist für andere Sozialleistungssysteme des SGB XII wie zum Beispiel die Eingliederungshilfe oder das angekündigte Bundesteilhabegesetz nicht rechtlich bindend. Das PSG III soll eine rechtliche Verbindung der Pflegeleistungen zu den anderen Sozialleistungen des SGB XII, die die Pflege betreffen, herstellen.
Verbesserung der Pflege auf kommunaler Ebene
Zusätzlich zu dieser Funktion hat das neue Pflegestärkungsgesetz 3 ebenfalls die Verbesserung der Pflege (der Pflegequalität und der Versorgung) auf Ebene der Kommunen zum Ziel.
Was beinhaltet das Pflegestärkungsgesetz 3?
Es gibt einige Punkte, die sich mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz geändert haben. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.
1. Schnittstelle zwischen Pflegeversicherung und anderen Sozialleistungssystemen
Das Pflegestärkungsgesetz 2 (PSG II) dient anderen Sozialleistungssystemen gemäß des SGB XII, die die Pflege betreffen, lediglich als Grundlage und Handlungsanweisung, ist also nicht rechtlich bindend. Durch eine konkretere Definition und rechtliche Ausdefinierung der Zuständigkeiten wird dieser Umstand im neuen Gesetz behoben.
2. Priorisierung von Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe
Durch die in Punkt 1 erwähnte Schnittstellenfunktion werden Pflegeleistungen in Bezug zu anderen Sozialleistungen, die die Pflege betreffen, gesetzt. Deswegen werden Priorisierungen vorgenommen:
- Im häuslichen Umfeld werden Pflegeleistungen als vorrangig gegenüber der Leistungen für die Eingliederungshilfe angesehen.
- Im stationären Umfeld gelten die Leistungen der Eingliederungshilfe als vorrangig gegenüber der Pflegeleistungen.
Zur Info
Die Eingliederungshilfe hat das Ziel, drohende Behinderungen zu verhüten bzw. Behinderungen, die bereits bestehen, und/oder deren Folgen zu mildern und im besten Fall zu beseitigen. Am Ende der Eingliederungshilfe steht die gelungene Inklusion. Definiert wird sie im 6. Kapitel des SGB XII.
3. Bessere Beratung von pflegebedürftigen Menschen und Angehörigen vor Ort
Pflegebedürftige und deren Angehörige stehen einer neuen Pflegesituation oft hilflos gegenüber und benötigen Beratung. Sie wissen nicht, was die Pflege an Aufwand mit sich bringen wird, sie haben keine Vorstellung von den Bezügen, die ihnen seitens der Pflegekassen zustehen und die sie beanspruchen können. Deswegen sollen in bis zu 60 Kreisstädten bzw. kreisfreien Städten weitere Pflegestützpunkte eingerichtet werden, in denen eine umfassende Beratung zu allen Themen der Pflege und der Pflegebedürftigkeit (MDK, Pflegegrade, Pflegegeld etc.) für Pflegebedürftige und Angehörige stattfindet, und die die bereits bestehende Beratung ergänzen.
4. Verbesserung der kommunalen Versorgung
Um eine Versorungsinfrastruktur zu gewährleisten, die Pflegebedürftige in ländlichen Gegenden und Kommunen eine angemessene Pflegesituation bietet, werden Pflegekassen verpflichtet, sich an Ausschüssen zu beteiligen, die die regionale Versorgung der Kommunen organisieren. Ebenfalls müssen sie die Empfehlungen dieser Ausschüsse in ihre Vertragsverhandlungen mit einkalkulieren, um Unterversorgungen zu verhindern, die aus rein ökonomischen Gründen entstehen.
5. Unterstützung im Alltag durch Kommunen
Kommunen sollen durch Personal- und Sachleistungen dazu beitragen, dass Angebote entstehen, welche Pflegepatienten und deren Angehörigen eine Erleichterung ihrer Situation im Alltag ermöglichen und sie entlasten.
6. Vollständige Ausschöpfung aller Fördermittel
Bisher hatte jedes Land seine eigenen Mittel, die für die Pflegesituation aufgewendet werden konnten. Mit dem neuen Gesetz soll ein finanzieller Austausch zwischen den Ländern ermöglicht werden. Das heißt, dass Gelder, die Land A nicht vollständig aufgebraucht hat, an Land B gehen, welches alle Gelder schon investiert hat. So werden die Fördermittel aller Länder effizient dort eingesetzt, wo sie vonnöten sind.
7. Verhinderung von Abrechnungsbetrug
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erhält mit dem Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG III) ein erweitertes Prüfrecht. Dies erlaubt es ihm, alle Pflegeunternehmen regelmäßigen Kontrollen zu unterziehen.
Auch bestehende Kontroll-Mechanismen sollen mit dem neuen Gesetz weiterentwickelt werden. So wird der MDK stichprobenartige Kontrollen der Pflegedienstleiter sowie der Pflegebedürftigen vornehmen.
Bei Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung der Pflegedienste kann der MDK unangekündigte Prüfungen der Abrechnungen vornehmen, um einen Abrechnungsbetrug vorzeitig ahnden zu können. Reguläre Kontrollen der Abrechnungen werden bereits standardmäßig vorgenommen.
8. Korruptionsbekämpfung
Um der Korruption in der Pflege aktiv entgegen zu wirken, werden die Pflegeselbstverwaltungen der Länder mit dem Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG III) dazu verpflichtet, vertragliche Regelungen zur Korruptionsbekämpfung zu treffen und diese auch umzusetzen. Diese Regelungen richten sich an Unternehmen und Einzelpersonen.
Was kostet das neue Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG III)?
Die konkreten Kosten sind noch unklar. Bereits das Inkrafttreten des PSG 2 erfordert jedoch eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung um 0,2%. Diese Erhöhung seit dem 01.01.2017.
Kritik am PSG 3
Zur Verabschiedung des PSG 3 haben sich auch kritische Stimmen gemeldet.
So äußert sich der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) in einer detaillierten Stellungnahme vor allem ablehnend gegenüber der Priorisierung von unterschiedlichen Fördergeldern:
"Den Vorrang der Leistungen der Pflege bzw. der Hilfe zur Pflege vor den Leistungen der Eingliederungshilfe lehnt der BeB entschieden ab. Aufgrund der vom Gesetzgeber fortgeführten Unterscheidung von Teilhabe- und Pflegeleistungen ist es für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung wichtig, dass es keine fiskalisch bedingten Verschiebungen gibt, insbesondere von Teilhabeleistungen in die Hilfe zur Pflege und damit in die Sozialhilfe."
Auch Pia Zimmermann, die pflegepolitische Sprecherin der Linken, urteilt, dass das Pflegestärkungsgesetz einer 2-Klassen-Pflege gleichkomme:
"Statt die pflegerische Verantwortung als gesellschaftliche Aufgabe zu organisieren und zu finanzieren, muss die Hauptlast der pflegerischen Verantwortung weiterhin privat getragen werden, und das sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Form von sogenannter informeller (privater) Pflege und Betreuung."
Der Paritätische Gesamtverband äußert in seiner Stellungnahme Bedenken hinsichtlich der Vorrangstellung der Pflegeleistungen:
"Pflegeleistungen und Leistungen der Eingliederungshilfe sind in ihrer Zielsetzung wesensverschieden und dürfen daher nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Demnach lehnt der Paritätische diese Vorrangstellung ab."