Wie vermeidet man Stürze im Alter?
Geschrieben von Johannes Schleicher am 6. Oktober 2019
Kategorien: Pflege, Pflegetipps
Jährlich stürzen 30% aller Menschen in Deutschland, die über 65 Jahre alt sind, mindestens ein Mal. Ein Sturz erhöht das Risiko, erneut zu stürzen, um einiges.
Stürze können zu Verletzungen, zu Frakturen etc. führen, OPs können nötig werden, Pflegebedürftigkeit kann entstehen und das Selbstvertrauen in die eigenen Bewegungsfähigkeiten schwindet.
Weiterführende Informationen
Wie kann man Stürze vermeiden? Wie steht man wieder auf? Wie sturzgefährdet sind Sie oder Ihr Angehöriger? Dazu geben wir in diesem Beitrag einige Tipps & Erklärungen.
Wie kann man Stürze vermeiden?
Der Körper wird steifer und unflexibler, kann nicht mehr schnell auf unvorhergesehene Situationen wie eine unbemerkte Teppichfalte oder ein überraschendes Geräusch im toten Winkel reagieren. Wie schützt man sich dann vor Stürzen?
Training von Kraft, Beweglichkeit und Balance
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Durch Training kann man Muskelkraft und Flexibilität erhalten, was einem Muskelschwund entgegenwirkt. Durch entsprechendes Training konnte das Sturzrisiko in Heimen einer Studie zufolge um 40 Prozent gesenkt werden.
Zur Info
Periphere Nerven führen Impulse im Alter mitunter langsamer aus – das kann dazu führen, dass Reize nur noch vermindert empfunden werden und Reflexe langsamer werden. Beides verringert die Fähigkeit, mit der sensibel und flexibel auf die Umwelt bzw. unvorhergesehene Ereignisse reagiert werden kann, und erhöht damit auch die Sturzgefahr, vor allem, wenn die Muskulatur nicht mehr ausreichend mitarbeitet.
Beim Training ist es natürlich wichtig, auf den jeweiligen gesundheitlichen Zustand des Menschen einzugehen. Dennoch ist übertriebenes Schonen nicht ratsam – auch alte Menschen können und sollten schwere Gewichte bewegen.
Für das richtige Training sollten Physio- und Ergotherapeuten zu Rate gezogen werden: Gerade bei schweren Gewichten ist der richtige Bewegungsablauf essentiell, und das nicht nur im Alter.
Die richtige Sehhilfe
Wenn man besser sieht, sieht man auch die Hindernisse besser, die einem im Weg liegen. Ein klarer Pluspunkt für die passende Brille. Diese sollte also nicht nur zum Lesen getragen werden und immer der tatsächlichen Sehkraft entsprechen. Dafür ist es nötig, dass die Brille nicht nur die richtige Stärke hat, sondern auch angenehm zu tragen ist.
Auch ausreichende Beleuchtung der Räumlichkeiten kommt der Sichtbarkeit von Stolperfallen entgegen.
Rutsch- und Stolperfallen vermeiden
Mit dem Verlust der Beinkraft wird der Gang schlurfender, die Füße werden nicht mehr so hoch angehoben wie in früheren Tagen. Zudem wird es zunehmends schwerer, sich abzufangen, sollte man einmal stolpern oder ausrutschen. Deshalb sollten Stolper- und Rutschfallen tunlichst vermieden werden. Das betrifft
- Teppiche
- Türschwellen
- Herumliegende Kabel
- Kram, der auf dem Boden herumliegt
- Zu glatte Fußböden
Es ist nur zu verständlich, wenn man den Teppich, der die Wohnung nun einmal auch wohnlich macht, nicht entfernen will. Trotzdem: Teppiche und Bettvorleger sind für 20 - 45% aller Stürze von älteren Menschen verantwortlich, deshalb sollte man den Verlust des Teppichs in Kauf nehmen, wenn Sturzgefahr droht.
Haltegriffe
Haltegriffe sorgen für einen sichereren Gang. Es ist daher sinnvoll, darauf zu achten, dass Treppengeländer stabil und gut zu umfassen sind und dass überall dort, wo der Gang erschwert ist (Enge, Rutschgefahr etc.), Haltegriffe angebracht sind.
Das richtige Schuhwerk
Stoppersocken bzw. gut passende Schuhe mit griffigen Sohlen reduzieren die Gefahr, auszurutschen, um einiges.
Medikamente überprüfen
Blutdrucksenkende Mittel, beruhigende Medikamente und Schlafmittel erhöhen das Sturzrisiko. In Absprache mit dem behandelnden Arzt sollte also darauf geachtet werden, dass diese Medikamente so wenig wie möglich eingesetzt werden.
Gehhilfen
Gehhilfen liegen sehr nahe, wenn es um Sturzvermeidung geht, deshalb seien sie nur am Rande erwähnt. Je nach körperlichem Befinden kann ein Gehstock, ein Rollator oder auch ein Rollstuhl benutzt werden.
Von einem Rollstuhl sollte man – natürlich unter Zurateziehen des Arztes – nur Gebrauch gemacht werden, wenn es nicht anders geht, da die noch vorhandene Muskulatur schnell schwindet, wenn sie nicht mehr genutzt wird.
Wie sollte der Rollator genutzt werden?
Ein Rollator sollte genau an den Körper des Benutzers angepasst werden. So werden ungünstige Körperhaltungen vermieden und das Gerät kann effektiv genutzt werden.
Checkliste zum Einstellen
- nicht zu hoch einstellen
- Handgriffe kurz vor dem Becken einstellen
- Im Rollator, nicht hinter ihm gehen
- Oberkörper aufrecht halten
Die falsche Haltung am Rollator sorgt nicht nur für Schmerzen, sondern auch dafür, dass sich nicht genügend an dem Gerät abgestützt werden kann. Stürze trotz Rollator sind die Folge.
Das Gehen mit einem Rollator sollte am Besten gemeinsam mit einem Physiotherapeuten erlernt werden und Hürden, die öfter genommen werden müssen (Treppenstufen, Bustüren etc.), mehrmals geübt werden. Ein Physio- bzw. Ergotherapeut kann auch bei der Anschaffung des richtigen Rollators helfen, da es beileibe nicht zu wenige Modelle gibt, von denen sich nicht alle für jeden eignen.
Wie sturzgefährdet sind Sie oder Ihr Angehöriger?
Ab wann ist man überhaupt sturzgefährdet? Oft unter- oder überschätzt man die eigenen Fähigkeiten. Daher gibt es verschiedene Tests, die versuchen, diese Frage objektiv zu beantworten. Hier beschreiben wir zwei davon.
Aufsteh- und Gehtest
Beim Aufsteh- und Gehtest setzt sich der betreffende Mensch in einen Stuhl mit Lehne. Eine Stoppuhr misst dann die Zeit, die gebraucht wird, um
- aufzustehen,
- 3 Meter zu gehen,
- sich umzudrehen,
- die Strecke zurückzugehen,
- und sich hinzusetzen.
Wenn dieser Ablauf unter 20 Sekunden dauert, kann von einer allgemein unabhängigen Fortbewegung gesprochen werden.
20-29 Sekunden bedeuten eine gewisse Grauzone.
Werden mehr als 30 Sekunden benötigt, heißt das, dass tendenziell Hilfebedarf besteht und die Sturzgefahr erhöht ist.
Balancetest
Der Balancetest überprüft das Gleichgewicht des betreffenden Menschen. Dabei werden die Füße in einer Linie hintereinander gestellt, wobei die Hacke des vorderen Fußes die hintere Fußspitze berührt. Wenn der betreffende Mensch nicht in der Lage ist, mindestens zehn Sekunden in dieser Stellung stehen zu bleiben, liegt eine Balancestörung vor. Auch dann kann von erhöhter Sturzgefahr ausgegangen werden.
Wie steht man nach einem Sturz wieder auf?
Sollte man nach einem Sturz überhaupt wieder aufstehen? Es kommt darauf an, wie schwer der Sturz war. In den folgenden Fällen sollte gleich der Notruf 112 gewählt werden:
- Schwindel
- Übelkeit
- Heftige Schmerzen
- Starke Blutungen
Ist dies nicht der Fall, sollte man versuchen, aufzustehen.
Falls jemand dabei ist, der helfen kann, sollte zunächst ein Stuhl geholt werden. Die gestürzte Person sollte sich dann mit Hilfe in den Vierfüßlerstand begeben. Die andere Person kann sodann an der Hüfte Unterstützung leisten, sodass die gestürzte Person sich aufrichten und einen sicheren Stand erreichen kann. Dann kann sie sich in den Stuhl setzen.
Ist die gestürzte Person alleine, sollte sie zunächst versuchen, die Ruhe zu bewahren – auch, wenn das leichter gesagt als getan ist. Danach sollte sie durch Krabbeln oder Robben versuchen, zum nächsten Stuhl zu gelangen.
Dort angekommen, sollten die Lehnen oder die Stuhlseiten fest umfasst werden und das starke Bein aufgestellt werden. Mit Hilfe der Arme sollte dann versucht werden, sich aufzurichten und einen sicheren Stand zu erreichen. Einmal im Stand, sollte sich die Person, gesichert von den Armen am Stuhl, drehen und sich dann hinsetzen und zur Ruhe kommen.
Bei jedem Sturz, egal wie "leicht" er war, sollte der Hausarzt informiert werden. Er kann dann mit der sturzgefährdeten Person gemeinsam Maßnahmen ergreifen, die neue Stürze vermeiden.
Was, wenn man nicht aufstehen kann?
Wenn die betreffende Person nicht aufstehen kann, muss sie auf sich aufmerksam machen. Am leichtesten geht das, wenn ein Telefon oder der Hausnotruf in erreichbarer Nähe sind.
Ist das nicht der Fall, sollte mit lautem Rufen oder Klopfzeichen versucht werden, Menschen in der Umgebung herbeizuholen.
Sollte längere Zeit niemand erreichbar sein, sollte darauf geachtet werden, warm zu bleiben, um ein Auskühlen des Körpers zu verhindern. Ein Kissen unter dem Kopf – falls verfügbar – sorgt dafür, dass der Nacken nicht beginnt, zu schmerzen.